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Unser Weg zum Start

  • Autorenbild: Ursina Candraja
    Ursina Candraja
  • 8. Apr. 2024
  • 4 Min. Lesezeit

Unsere lange Reise hat endlich begonnen und nach einer Woche haben wir den eigentlichen Startpunkt unserer Reise, den südlichsten Punkt Europas auf der griechischen Insel Gavdos erreicht. Die letzten Vorbereitungen zu Hause und die ersten Reisetage mit längeren Autofahrten und drei Fährfahrten waren trotz gründlicher Planung doch etwas anstrengend und auch wenn fast alles reibungslos ablief, realisieren wir erst jetzt irgendwo im Nirgendwo auf Gavdos langsam, dass unser Abenteuer tatsächlich angefangen hat und wir die nächsten vier Monate unseren Traum unterwegs Zuhause zu sein wirklich leben dürfen.


Unsere Reise begann am frühen Morgen um vier Uhr mit der Fahrt in Richtung Italien nach Ancona, wo am Nachmittag um 16:30 Uhr unsere Fähre nach Patras hätte abfahren sollen. Wir hätten aber auch noch ein paar Stunden länger schlafen können, da die Fähre erst gegen 20:00 Uhr den Hafen verliess, was hauptsächlich auf die südländlische Organisation und Effizienz beim Beladen der Fähre mit Autos, Lastwagen und Gütern zurückzuführen war. Die Autos wurden am Hafen zwar einer bestimmten Kolonne zugewiesen, welche dann aber alle Fahrzeuge noch mehrmals und mit langen Pausen dazwischen wechseln mussten, bis wir endlich aufgefordert wurden auf die Fähre zu fahren. So kamen wir auch erst gegen Abend in Patras an und mussten unseren ersten Schlafplatz in idyllischen Olivenhainen über Korinth im Dunkeln ansteuern. Dabei lernten wir schon am ersten Tag, dass die Routen, welche Google Maps in Griechenland anzeigt, nicht einmal für ein 4x4 Fahrzeug in jedem Fall geeignet oder überhaupt möglich sind zu befahren.



Am nächsten Tag führte uns der Weg nach Athen am Kanal von Korinth vorbei und auch wenn der Kanal zurzeit wegen Bauarbeiten für Schiffe gesperrt ist, war der Blick in die Tiefe doch sehr beeindruckend. Danach ging es weiter mitten in das chaotische Zentrum der 3.8 Millionen Stadt Athen. Athen war für uns keine besonders schöne Stadt, aber interessant, lebendig und voller spannender antiker Bauten und Zeugnisse von den Anfängen der europäischen Kultur. Wir begannen unsere Stadtbesichtigung auf dem Lykabettus, der höchsten Erhebung im Stadtgebiet und konnten uns trotz Saharastaub in der Luft einen guten Überblick verschaffen und die Akropolis von oben bewundern. Nach einer traumhaften, aber windigen Nacht hoch über den Dächern von Athen besichtigten wir mit ganz vielen anderen Touristen die Akropolios aus nächster Nähe und tauchten in das qurilige Stadtleben ein. Wir fanden aber im Nationalgarten zwischen Orangenbäumen eine kleine Oase der Ruhe, welche auch verschiedenen Vögeln und Schildkröten einen Lebensraum inmitten dem Verkehrschaos bietet.



Am Hafen von Piräus ging das Chaos weiter, da neben Fahrzeugen auch die Ladungen einer langen Schlange Lastwagen ihren Platz im Frachtraum unserer in die Jahre gekommenen Fähre nach Kreta finden mussten. Das Tempo, mit dem die schwer beladenen Lastwagen auf die Fähre fuhren und deren Zugmaschinen ohne Anhänger kurz dararf wieder die Rampe herunterkamen, war allerdings deutlich höher als in Ancona. Wir beobachteten das emsige Treiben mit lautem Gebell der Hunde, welche die Fährfahrt in kleinen Käfigen auf dem Deck verbringen mussten. Ebenfalls auf dem Deck schliefen zwei junge Deutsche, welche mit ihrem Bus schon mehrere Monate unterwegs sind und wahrscheinlich hatten sie eine ruhigere Nacht als wir in unserer brummenden, rüttelnden und stickigen Kabine. Sonst waren fast keine Touristen an Bord, sondern hauptsächlich einheimische Männer, die vermutlich aus beruflichen Gründen unterwegs waren.


Am frühen Morgen erreichten wir Kreta und wollten drei Stunden später auch schon die nächste Fähre nach Gavdos nehmen, welche gemäss Onlinefahrplan fahren sollte. Am Hafen von Chora Sfakion erfuhren wir allerdings, dass die Fähre, welche gerade beladen wurde, an diesem Tag Gavdos nicht ansteuerte. Ob die häufigen spontanen Fahrplanänderungen trotz strahlendblauem Himmel und ruhiger See tatsächlich auf zu hohen Wellengang zurückzuführen sind, können wir nicht ganz nachvollziehen. Aber die Planänderung hatte auch ihre schönen Seiten und wir verbrachten einen gemütlichen Nachmittag an einem einsamen Strand und schliefen mit dem Rauschen des Meeres ein. Vor der reservierten Fährfahrt am nächsten Abend unternahmen wir eine Wanderung in die Imbros Schlucht und kämpften dabei noch ein wenig mit den ungewohnt hohen Temperaturen.



Nach einem typisch griechischen Essen am Hafen von Chora Sfakion genossen wir mit nur zwei anderen Mitreisenden einen wunderschönen Sonnenuntergang auf der Fähre nach Gavdos. Einer der Mitreisenden war der deutsche Aussteiger "Adel - der Reisende" mit seinen zwei Hunden, der Gavdos gut kannte und uns erzählte, dass die Insel im Sommer von zahlreichen Jungen besiedelt wird, welche an den einsamen Stränden ihre Zelte aufschlagen und das Leben und verschiedene bewusstseinserweiternde Substanzen geniessen. Im Frühling sei die Insel mit nur 150 Einwohnern aber noch verschlafen und ein kleines, idyllisches Paradies. Als sich unsere Fähre der Insel näherte, wirkte die Insel tatsächlich verlassen. Es brannten nur vereinzelt ein paar schwache Lichter und bis auf zwei, drei Fahrzeuge, welche Material von der Fähre abholten, war alles vollkommen ruhig. Unsere nächtliche Fahrt zu unserem Schlafplatz, dem Ausgangspunkt für die Wanderung zum Kap Tripiti, wurde dann beinahe etwas unheimlich. Die einzige Begegnung war ein bellender Hund und nur ab und zu fuhren wir an einem verlassen wirkenden Haus vorbei. Irgendwann wurde die Strasse zudem wieder einmal abenteuerlich, Schotter und Asphalt wechselten sich ab und am Strassenrand hatten Fahrzeugwracks ihre letzte Ruhestätte gefunden. Uns kam es vor als wären wir nicht nur am Ende Europas sondern am Ende der Welt angekommen. Als die Strasse unbefahrbar wurde, parkierten wir unser Auto auf einem Ausstellplatz und krochen unter einem atemberaubenden Sternenhimmel müde in unser Dachzelt.



Erst am nächsten Morgen sahen wir, wo wir gelandet waren. Durch eine beinahe unwirklich wirkende, karge Steinlandschaft mit kleinen Büschen und mit Blick auf das Meer marschierten wir zum südlichsten Punkt Europas, dem Kap Tripiti, welches mit seinem überdimensionalen Stuhl neben einem traumhaft schönen Strand ins Meer ragte. Wir begegneten den ganzen Tag keiner Menschenseele und trafen auf dem Weg nur ein paar Ziegen mit ihren Kitzen. Obwohl ich kaltes Wasser verabscheue, stürzte sogar ich mich zumindest bis zum Bauchnabel mit meinen drei Jungs am Strand von Tripiti ins kühle Nass. Nach einem magischen Sonnenuntergang am Kap Tripiti wanderten wir im Schein unserer Stirnlampe die 4 Kilometer zu unserem kleinen Zuhause zurück und sangen „Das alte Haus von Rocky Docky“, obwohl „An Tagen wie diesen wünscht man sich Unendlichkeit“ eigentlich besser gepasst hätte.



 
 
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